Denkmalstürze können die Geschichte nicht umschreiben

Foto: Wladyslaw Sojka www.sojka.photo

Die Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung haben nicht nur schmerzhaft verdeutlicht, dass Menschen immer noch alltäglich aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert werden und Gewalt erfahren. Sie erinnern auch daran, dass der Rassismus unserer Zeit aus einer Geschichte hervorging, die längst noch nicht aufgearbeitet ist.

Die Denkmalstürze, die in den vergangenen Tagen in den USA, in Belgien, in Frankreich und Großbritannien zu beobachten waren, sind ein Versuch der Protestierenden, darauf aufmerksam zu machen, wie tief verwurzelt das koloniale und rassistische Erbe in unseren Gesellschaften bis heute ist. Es ist ein radikaler Weg, der kurzfristig dazu führt, dass sich die allgemeine Aufmerksamkeit tatsächlich teilweise erstmals auf die rassistischen Taten bzw. Überzeugungen der Männer richtet, die mit den Statuen geehrt wurden.


Es muss vielmehr darum gehen, problematische Erinnerungsorte neu zu befragen, zu kontextualisieren und (natürlich!) auch zu kritisieren. In dieser Debatte liegt die große Chance, unsere Erinnerungskultur neu zu definieren.


Die Denkmalstürze bergen allerdings die Gefahr, langfristig genau Gegenteiliges zu erreichen. Wir wissen: „Aus den Augen, aus dem Sinn“ keine Devise ist, mit der Rassismus sinnvoll bekämpft werden kann. Das gilt auch für die Denkmalstürze, denn die Zerstörung einer Statue verdrängt die Erinnerung an die durch sie geehrte Person im öffentlichen Raum, statt zu einer tiefgreifenden Auseinandersetzung beizutragen. Genau das ist aber der einzige Weg, der zu einem nachhaltigen, kritischen Bewusstsein für unsere Geschichte führt. Es muss vielmehr darum gehen, problematische Erinnerungsorte neu zu befragen, zu kontextualisieren und (natürlich!) auch zu kritisieren. In dieser Debatte liegt die große Chance, unsere Erinnerungskultur neu zu definieren. Es wäre ein wirklich nachhaltiger Beitrag zur Sensibilisierung für das koloniale und rassistische Erbe unserer Gesellschaft – und zur Auseinandersetzung mit seinen verheerenden, bis heute spürbaren Folgen.