Am Rande notiert: Die „Kanzler-U-Bahn“

Fährt man mit dem Zug oder der S-Bahn westwärts in den Berliner Hauptbahnhof ein, zieht das gesamte Panorama des Regierungsviertels vorbei: Kanzleramt, Paul-Löbe-Haus, Reichstagsgebäude, Schweizer Botschaft, im Hintergrund auch das Brandenburger Tor… Schön. Vom Hauptbahnhof bis zum Brandenburger Tor etwa ist es nur ein kleiner Spaziergang, aber man kann für diesen „Katzensprung“ auch die im Volksmund so genannte „Kanzler-U-Bahn“, die U55 nutzen:

Der Bau der U55 ist zunächst Helmut Kohl zu verdanken, als er zu Beginn der 1990er Jahre die Pläne für eine U-Bahn, die Ost und West miteinander verbinden sollte, tatkräftig vorantrieb. Tatsächlich war die Euphorie nach der Wende wohl mitentscheidend dafür, dass die sogenannte „Kanzler-U-Bahn“ auf den Weg gebracht wurde. Dabei war zunächst eine Verlängerung der bereits existierenden U5 vorgesehen, die von Hellersdorf über den Alexanderplatz bis zum Hauptbahnhof führen sollte. So weit, so gut. Ursprünglich war geplant, die kurze Strecke bereits anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 zu eröffnen, um den Fans und Touristen einen schnellen Weg vom Hauptbahnhof zur Fanmeile am Brandenburger Tor zu gewährleisten. Jedoch verzögerte sich der Bau der erweiterten U-Bahn-Strecke, sodass erst im August 2009 vorerst nur der Streckenabschnitt zwischen Hauptbahnhof, Bundestag und Brandenburger Tor eröffnet wurde. Benannt wurde diese im Pendelverkehr betriebene Linie als U55, um keine Verwirrung wegen Namensgleichheit zur U5 zu stiften.  Die drei zusätzlichen Stationen (Unter den Linden, Museumsinsel, Berliner Rathaus), die die Lücke zwischen der U55 und der U5 schließen, sollen erst Ende 2020 eröffnet werden. Bis dahin bleibt die U55 mit ihren drei Stationen als kürzeste U-Bahn-Strecke Europas erhalten. Also gewissermaßen eine temporäre Touristenattraktion – wenngleich auch eine nicht ganz unumstrittene: Schließlich trägt der zähe Bauvorgang wieder einmal zum Image als Hauptstadt gescheiterter Großprojekte bei. Im vergangenen Jahr gab es im Oktober zumindest schon einmal die Möglichkeit, bei einem Tag der offenen Tür den U-Bahnhof „Unter den Linden“ zu besichtigen, damit auch Skeptiker sich davon überzeugen können, dass der Bau sichtlich vorankommt. Und ganz, ganz vorsichtig melden sich auch erste Stimmen, die von der weiteren Verlängerung der U5 in Richtung Westen durch Moabit sprechen. Aber wirklich nur ganz vorsichtig.

(Bild: Manfred Brückels [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)])